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Konjunktur | Angst vor Euro-Aus: Griechen plündern ihre Konten


Konjunktur
Angst vor Euro-Aus: Griechen plündern ihre Konten

spiegel-online, Spiegel Online

Aktualisiert am 20.01.2012Lesedauer: 3 Min.
Die Griechen misstrauen derzeit ihrem BankensystemVergrößern des BildesDie Griechen misstrauen derzeit ihrem Bankensystem (Quelle: Reuters-bilder)
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Akute Angst vor dem Euro-Verlust, latente Jobmisere und rapide steigende Abgabenlast: Viele Griechen heben ihr Erspartes von den Konten ab. Damit drehen sie ihrer eigenen Wirtschaft ungewollt den Geldhahn zu.

Banken verlieren Einlagen in Milliardenhöhe

Georgios Provopoulos, Gouverneur der Nationalen Zentralbank, ist der Mann der Zahlen - und die sind eindeutig: "Im September und im Oktober haben sich die Spar- und Termineinlagen um weitere 13 bis 14 Milliarden Euro reduziert. In den ersten zehn Tagen im November hat sich der Rückgang im großen Stil fortgesetzt", ließ er den Ausschuss für Wirtschaftsfragen im Athener Parlament kürzlich wissen.

Mit geradezu entwaffnender Ehrlichkeit erklärte der Zentralbanker den Abgeordneten damit, warum es die griechische Wirtschaft nicht schafft, nach drei Jahren tiefer Rezession auf einen grünen Zweig zu kommen: "Unser Bankensystem verfügt nicht über den Spielraum, Wachstum zu finanzieren."

Abwärtstrend verstärkt sich

Was er damit meint: Der Rückgang des in Griechenland gebunkerten Vermögens hat sich zuletzt stark beschleunigt. Anfang 2010 betrugen die Spar- und Termineinlagen der privaten Haushalte und Unternehmen noch 237,7 Milliarden Euro, bereits bis Ende August 2011 gingen sie um stattliche 49 Milliarden Euro zurück.

Inzwischen hat sich der Abwärtstrend noch verstärkt, allein im September schmolz das Ersparte um weitere 5,4 Milliarden Euro, im Oktober um geschätzte 8,5 Milliarden Euro. Noch nie seit Beginn der Schuldenkrise Ende 2009 ist so viel Geld in einem Monat abgeflossen.

Sparer und Unternehmer lösen Rücklagen auf

Die Verunsicherung unter den griechischen Sparern erreichte Anfang November ihren Höhepunkt. Der Grund war das Hin und Her von Ex-Premier Georgios Papandreou, der seinen Sparkurs zunächst mit einem Volksentscheid absegnen lassen wollte. Nach dem Aufschrei anderer europäischer Regierungschefs endete der Hickhack am 11. November mit einer neuen Regierung unter dem parteilosen Ex-Zentralbanker Loukas Papademos. Damit schien die rasante Talfahrt der Guthaben vorerst gestoppt.

Trotzdem haben die Griechen wohl nur noch 170 Milliarden Euro auf der hohen Kante - knapp 30 Prozent weniger als Anfang 2010. Die Folgen sind fatal: Viele Unternehmen müssen wegen der Rezession Rücklagen auflösen, zumal die Banken bei der Kreditvergabe zurückhaltend geworden sind.

Bürger fürchten Zusammenbruch des Bankensystems

Immer mehr griechische Familien leben inzwischen von ihren Ersparnissen, weil sie mit Jobverlust und sinkenden Einkommen konfrontiert sind. Im August stieg die Arbeitslosigkeit auf 18,4 Prozent. Viele Griechen bunkern ihr Erspartes aus Angst vor einem Zusammenbruch des Bankensystems inzwischen zu Hause.

Wer kann, versucht außerdem, sein Geld anderweitig in Sicherheit zu bringen. Die Griechische Zentralbank geht davon aus, dass rund ein Fünftel der Rücklagen ins Ausland geschafft werden. "Die Verunsicherung ist groß", sagt Panagiotis Nikoloudis, Präsident der Nationalen Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche. Und das machten sich die Banken zunutze. "Die fragen ihre Kunden ganz direkt, ob sie ihr Geld nicht lieber in Liechtenstein, der Schweiz oder Deutschland anlegen wollten."

Viele Menschen schaffen kleine Beträge fort

Nikoloudis beobachtet außerdem eine weitere Entwicklung: Waren es anfangs wenige Menschen, die hohe Summen fortschafften, sind es heute viele, die kleinere Beträge transferieren. Ypatia K. kann das bestätigen. Die 55-jährige Bankangestellte steht vor einem Bankautomaten der Hellenic Postbank an der Pentelis-Straße, im gutbürgerlichen Athener Vorort Vrillisia.

Hier wohnt die gehobene Mittelschicht, auch sie ist Opfer der Krise. "Die Kunden, vor allem Kleinsparer, haben zuletzt 3000, 4000 oder 5000 Euro abgehoben. Das war Panik", erzählt sie. Ein paar Meter weiter steht Marina S. vor einer Filiale der Eurobank. Die 74-jährige Witwe muss jeden Euro umdrehen. "Mir bleibt nichts anderes übrig, als von meinem Sparguthaben zu zehren."

Liquiditätsproblem der griechischen Banken wird sich verschärfen

Dem immer kleiner werdenden Guthaben griechischer Banken stehen Kredite in Höhe von 253 Milliarden Euro gegenüber. Beobachter rechnen damit, dass der Anteil der faulen Kredite wegen der anhaltenden Rezession im kommenden Jahr auf bis zu 20 Prozent und damit rund 50 Milliarden Euro anwachsen könnte. Dies wiederum verschärft das ohnehin massive Liquiditätsproblem der griechischen Banken.

Nikos B., Arzt bei den Griechischen Streitkräften, hat jedenfalls die Nase voll von der nicht endenden Monster-Krise in seinem Land. Der 31-Jährige hat zwar eine Jobgarantie, wegen wiederholter Gehaltskürzungen komme er mittlerweile aber kaum noch über die Runden, sagt er.

Das meiste Geld brauche er, um den Kredit für einen Kleinwagen abzustottern. "Wie soll ich denn mein Konto leerräumen? Es ist ja kaum was drauf." Er lerne seit zwei Monaten Deutsch und wolle nur noch weg. "Und zwar schnell!" Dann macht Nikos eine kurze Pause und senkt den Blick. Ganz leise sagt er noch, was die stolzen Griechen nur schwer über die Lippen bringen: "Und am besten auch noch die Nationalität wechseln."

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