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Energiewende: Was an der Stromdebatte stimmt - und was nicht


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Was an der Stromdebatte stimmt - und was nicht

spiegel-online, Stefan Schultz, Spiegel Online

Aktualisiert am 21.07.2012Lesedauer: 4 Min.
Solarförderung, Strompreise und Kosten der Energiewende: Die Debatte geht weiterVergrößern des BildesSolarförderung, Strompreise und Kosten der Energiewende: Die Debatte geht weiter (Quelle: dpa-bilder)
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Ist die Energiewende unsozial? Bedroht sie den Standort Deutschland? Ein Interview des Umweltministers hat eine Debatte ausgelöst, in der längst nicht alle Argumente stimmen. Sicher ist: Ab Herbst wird Strom deutlich teurer. Eine Übersicht der wichtigsten Fakten.

Alles begann mit einem ziemlich ehrlichen Interview des Umweltministers. Er bezweifle, dass sich der Stromverbrauch der Bundesrepublik bis 2020 um zehn Prozent senken lasse, sagte Peter Altmaier (CDU). Eine realistische Einschätzung - mit Blick auf die lasche neue EU-Richtlinie für Energieeffizienz.

Rösler als Skeptiker

Dann sprang Wirtschaftsminister Philipp Rösler auf das Thema auf, indem er sich als Skeptiker profilierte. "Energiewende? Prinzipiell ja", so sein Tenor. "Aber nur, wenn die Strompreise bezahlbar bleiben." Die Industrie warnt: Steigende Strompreise würden den Wirtschaftsstandort Deutschland bedrohen.

Die Republik steckt mitten in einer neuen Debatte über die Energiewende. Doch welche Argumente stimmen? Was ist Stimmungsmache? Eine Kurzübersicht.

Steigen die Strompreise wirklich so drastisch?

Bislang halten sich die Auswirkungen des Atomausstiegs in Grenzen. Obwohl acht von 17 Atomkraftwerken abgeschaltet wurden, sind die Preise nicht stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Seit dem Kabinettsbeschluss zur Energiewende vor gut einem Jahr sind etwa die Strompreise eines Vier-Personen-Haushalts im Schnitt um 25 Euro gestiegen - von 977 auf 1002 Euro.

Diesen Herbst allerdings wird es tatsächlich einen Preisschub geben - wegen der sogenannten EEG-Umlage. Diese dient dazu, Betreibern von Wind-, Solar- und Biogasanlagen einen fixen Preis für die Energie zu garantieren, die sie produzieren. Die EEG-Umlage zahlt jeder Verbraucher über seine Stromrechnung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte versprochen, die Umlage auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde zu begrenzen. Nun ist in einigen Szenarien für das kommende Jahr von bis zu 5,3 Cent die Rede.

Was würde das für Sie bedeuten?

Deutlich steigende Kosten. Nach Berechnungen des Verbraucherportals Verivox müsste ein Vier-Personen-Haushalt 2013 netto rund 80 Euro mehr zahlen, falls die EEG-Umlage beispielsweise auf 5,3 Cent steigt. Rechnet man die Mehrwertsteuer hinzu, wären wären es sogar 94 Euro mehr - eine Steigerung von gut neun Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Warum steigt die EEG-Umlage überhaupt?

Das hat zwei Gründe. Erstens weil die absolute Menge des Ökostroms steigt. 2012 wird eine große Menge neuer Ökostromanlagen ans Netz gehen. Vor allem Solaranlagen werden in großen Mengen installiert; sie erhalten im Vergleich zu anderen Ökostromanlagen die höchste Vergütung.

Zweitens steigt die EEG-Umlage auch relativ. Das hat paradoxerweise mit sinkenden Strompreisen zu tun. Die erneuerbaren Energien erhöhen das Stromangebot in Zeiten großer Nachfrage und senken dadurch den Strompreis an der Börse. 2011 lag der Durchschnittspreis am Spotmarkt nach Berechnungen des Instituts für Zukunftsenergiesysteme (IZES) bei 51,10 Euro pro Megawattstunde. Im laufenden Jahr sind es bisher nur noch 40 Euro. Wenn aber der Strompreis sinkt, dann steigt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Strompreis und dem fixen Abnahmepreis, den Betreiber von Ökostromanlagen garantiert bekommen.

Beispiel: Der Betreiber einer Windanlage bekommt neun Cent pro Kilowattstunde. 2011 lag der Strompreis an der Börse bei fünf Cent pro Kilowattstunde; also erhält er über die EEG-Umlage vier Cent. 2012 ist der Preis an der an der Börse auf vier Cent gesunken; also erhält er über die EEG-Umlage fünf Cent.

Wie gefährdet ist die deutsche Industrie?

Die Gefährdung hält sich in Grenzen, gerade für größere Unternehmen. Firmen mit hohem Verbrauch beziehen ihren Strom meist direkt über die Strombörse - und profitieren von den sinkenden Preisen. Gleichzeitig genießen sie den Schutz der sogenannten besonderen Ausgleichsregel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Laut dieser zahlen Firmen die volle EEG-Umlage nur für die ersten eine Million Kilowattstunden Strom, die sie verbrauchen. Für jede weitere Kilowattstunde zahlen sie nur noch zehn Prozent der EEG-Umlage, ab einem Verbrauch 10 Millionen Kilowattstunden ist es nur noch ein Prozent, ab einem Verbrauch von 100 Millionen Kilowattstunden sind es noch 0,05 Cent.

Beispiel: Die Trimet Aluminium AG verbraucht bei voller Auslastung 4,6 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Die Aluminiumhütte muss also nur für rund 0,02 Prozent ihres Gesamtverbrauchs die volle EEG-Umlage zahlen.

Die besondere Ausgleichsregelung wurde zuletzt auch von der Bundesnetzagentur kritisiert. Nach ihren Berechnungen werden die privilegierten Unternehmen 2012 zwar 18 Prozent des Gesamtstromverbrauchs verursachen, aber lediglich für 0,3 Prozent der EEG-Umlage aufkommen.

"Ich kann das Gejammer der Industrie nicht nachvollziehen", sagt Uwe Leprich vom Instituts für Zukunftsenergiesysteme. "Sie bekommen Strom so günstig wie lange nicht und profitieren von großzügigen Ausgleichsregeln."

Wie gerecht ist das EEG noch?

Das sollte die eigentliche Frage der aktuellen Debatte sein. Denn gleich an mehreren Stellen im System wachsen die Ungleichheiten.

  • Die besondere Ausgleichsregelung für die Industrie belastet gewerbliche Kleinverbraucher und private Haushalte zusätzlich. Denn jeden Euro, den die Industrie weniger in die EEG-Umlage einzahlt, müssen sie ausgleichen. Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur werden Kosten von rund 2,5 Milliarden Euro umverteilt.
  • Von den sinkenden Strompreisen an der Börse profitieren derzeit nur die großen Stromfresser der Nation. Die privaten Haushalte dagegen nicht. Denn sie beziehen ihre Energie von privaten Versorgern. Diese kaufen ihren Strom teils mehrere Jahre im Voraus ein. Erst in den kommenden Jahren werden die sinkenden Börsenstrompreise sich auch auf die Stromrechnungen der Verbraucher durchschlagen.
  • Vor allem Bürger mit geringem Einkommen oder Hartz-IV-Empfänger haben immer größere Probleme, ihre Stromrechnung zu zahlen. Kürzlich forderte sogar E.on-Chef Johannes Teyssen im Interview mit SPIEGEL ONLINE einen Ausgleich für die sozial Schwachen.

Uwe Leprich vom IZES hat bereits eine Idee, wie ein solcher Sozialausgleich finanziert werden könnte: So steigen durch die EEG-Umlage auch die Mehrwertsteuereinnahmen. Leprichs Berechnungen zufolge würde der Staat bei einer Umlage von 5,3 Cent rund 3,8 Milliarden Euro Mehrwertsteuer kassieren, 1,2 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. "Das sollte allemal ausreichen, um die steigenden Stromrechnungen der Hartz-IV-Empfänger zu kompensieren."

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