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Gazprom: Enthüllungsbuch über russischen Energiekonzern


Gazprom
Ein Konzern wird zur Machtmaschine

spiegel-online, Spiegel Online

Aktualisiert am 21.05.2012Lesedauer: 4 Min.
Die Zentrale von Gazprom in MoskauVergrößern des BildesDie Zentrale von Gazprom in Moskau (Quelle: dpa-bilder)
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Eine unheimliche Macht, mitten unter uns: Der russische Energieriese Gazprom versucht im deutschen Markt Fuß zu fassen. Ausgerechnet jetzt veröffentlicht der Journalist Jürgen Roth sein Buch über den Staatskonzern. Eine ziemlich haarsträubende Lektüre.

Gazprom kontrolliert auch TV-Sender

Jedes Mal, wenn Sie die Heizung aufdrehen, wird es in ihrer Wohnung mollig warm - und der russische Machtapparat um ein paar Rubel reicher. So beschreibt es Jürgen Roth in seinem neuen Buch "Gazprom - Das unheimliche Imperium". These: Europa ist angewiesen auf die Lieferungen von Gazprom, eines Energie-Giganten, in dessen Dunstkreis beklemmende Geschichten passieren.

Roth geht diesen Geschichten auf den Grund. Er folgt den Spuren des Geldes, legt dubiose Firmengeflechte auf. Er seziert den 400.000-Menschen-Konzern, der über Tochterunternehmen die fünf wichtigsten TV-Sender Russlands und mehr als ein Dutzend Zeitungsredaktionen kontrolliert und sich einen eigenen bewaffneten Geheimdienst hält. Er erzählt wie manche Geschäftsleute durch Gazprom zu Milliardären wurden - und andere unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen.

Gazprom als langer Arm des Kreml

Viele Sachverhalte, über die Roth berichtet, wurden bereits zuvor in Zeitungsartikeln und Studien beleuchtet. Das Buch hebt nun die Querverbindungen im System Gazprom hervor. Dem Leser erschließt sich die Dimension des Megakonzerns, den Russland regelmäßig nutzt, um unbotmäßige Nachbarstaaten wie Georgien oder die Ukraine unter Druck zu setzen.

Vor allem im Winter ist die Drohung, den Gashahn zuzudrehen, ein machtpolitisches Instrument.

Expansion in Deutschland geplant

"Das unheimliche Imperium" erscheint in einer Zeit, in der der Konzern versucht, den deutschen Endkundenmarkt zu erobern und seinen Einfluss auf das deutsche Energiesystem auszubauen.

Roth zeigt, wie weit diese Pläne schon gediehen sind: Man wolle "eigenständig auf dem deutschen Energiemarkt tätig werden", sagte Pavel Oderov, Leiter des internationalen Gazprom-Geschäfts, Roth zufolge am 27. Februar auf einem geheimen Treffen mit Politikern und Vertretern der Energiewirtschaft in München. Als direkter Konkurrent zu E.ON, RWE & Co. In Bayern sollen bald Gaskraftwerke mit Hilfe der Russen entstehen.

Dubiose Geschäfte bei Gazprom

Manche Passagen in Roths Buch lesen sich wie Szenen aus einem Agententhriller. Zum Beispiel die Geschichte von William Felix Browder, einem angelsächsischen Großkapitalisten, der in Russland Geschäfte machen wollte und es bis in den Aufsichtsrat von Gazprom schaffte.

Dort stellte er zu viele Fragen. Warum zahlte die Firma Stroitransgas für einen fast fünfprozentigen Anteil an Gazprom nur 2,5 Millionen Dollar, obwohl der Marktwert damals weit höher geschätzt wurde? Warum zahlte Gazprom für diese Anteile später 144 Millionen Dollar?

Großaktionär wird kaltgestellt

Browder machte sich offenbar mächtige Feinde. 2005 wurde er am Flughafen von Moskau festgenommen, sein Visum wurde für ungültig erklärt. Sicherheitskräfte setzten ihn in die nächste Maschine nach London. Drei von Browders Firmen wurden liquidiert.

Wenige Tage später tauchten sie im russischen Firmenregister wieder auf - mit russischen Besitzern. Ein Anwalt, der in dem Fall recherchierte, wurde 2008 verhaftet und starb am 16. November 2009 im Gefängnis. An "Herzinsuffizienz", wie das Innenministerium mitteilte.

Teure Gaspipeline auf deutsche Kosten

In anderen Kapiteln zeigt Roth, wie die russische Politelite Gazprom als Melkkuh nutzt. Zum Beispiel beim Bau der Gaspipeline Nord Stream, die mittlerweile Deutschland und andere EU-Länder mit russischem Gas versorgt. Bei diesem Projekt musste der deutsche Rohrhersteller Europipe laut Roth mit einer undurchsichtigen Handelsfirma kooperieren. Deren größter Anteilseigner war seinerzeit ein alter Judo-Kumpane Putins.

Roth zitiert Studien, die belegen, dass jeder Streckenkilometer einer Pipeline vom russischen Gryazovet nach Wyborg im Schnitt viermal so teuer war wie der Bau einer anderen Rohrleitung nach China - obwohl die Ingenieure bei der China-Pipeline mit deutlich ungünstigeren geografischen Verhältnissen zu kämpfen hatten. Die Kosten für solche Eskapaden werden laut Roth auf die Verbraucher abgewälzt, also auch auf die deutschen Energiekunden.

Teilweise zu reißerisch

Roth führt noch mehrere Dutzend solcher Beispiele an, er verdichtet den Stoff zu einem faktenbasierten wirtschaftspolitischen Thriller. Dieser ist stets spannend zu lesen - trotz einiger handwerklicher Schwächen. Den verworrenen Geschichten, in denen es von Protagonisten und obskuren Sub-Sub-Tochterfirmen wimmelt, hätte mehr Leserführung gut getan. Dem Buch fehlen Momente, in denen Fakten noch einmal gebündelt werden. Einordnende Passagen, die erklären, wofür die einzelnen Geschichten stehen.

Stattdessen kommentiert Roth die Geschehnisse teils in reißerischem Duktus. "Wer den Zaren, in diesem Fall Wladimir Putin, nicht kritisiert, lebt unbehelligt", schreibt er an einer Stelle. "Er darf Steuern hinterziehen, betrügen, stehlen und morden."

Es stellt sich zudem die Frage, ob wirklich alle Vorwürfe, ausreichend belegt sind. Roth hat schon in früheren Büchern Ärger bekommen. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder etwa ging rechtlich gegen das Buch "Der Deutschland-Clan" vor. Roth beschreibt darin ohne ausreichende Belege eine Reise von Schröder in die Vereinigten Arabischen Emirate in Verbindung mit seiner Tätigkeit für Gazprom. Eine Passage musste später umgeschrieben werden.

Abgesehen von der gelegentlichen Polemik des Autors aber ist "Gazprom - Das unheimliche Imperium" ein lesenswertes Buch - voll von wissenswerten und haarsträubenden Fakten über einen der wohl mächtigsten Konzerne der Welt.

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